Hinweispflicht des Arbeitgebers auf bestehende Urlaubsansprüche

Dr. Frank Halfpap

14.07.2020

Das BAG hat bereits mit einer Entscheidung vom 19.02.2019 – 9 AZR 541/15 – nach einem Vorlageverfahren zum Europäischen Gerichtshof seine Urlaubsrechtsprechung dahingehend ergänzt, dass der gesetzliche Mindesturlaub grundsätzlich nur dann nach § 7 Abs. 3 BUrlG am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraumes erlischt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, seinen Urlaub rechtzeitig im Urlaubsjahr zu nehmen, da der Urlaub anderenfalls verfallen kann.

 

Diese Entscheidung traf jetzt mit einem weiteren Rechtsprechungsgrundsatz zusammen. Bei diesem Grundsatz handelt es sich um den Umstand, dass gesetzliche Urlaubsansprüche bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit, wenn also der Arbeitnehmer im Urlaubsjahr aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert war, erst 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres erlöschen.

 

In zwei Entscheidungen vom 07.07.2020 – 9 AZR 401/19 (a) und 9 AZR 245/19 (a) – stellt sich das BAG die Frage, ob diese 15-Monatsfrist auch dann gilt, wenn der Arbeitgeber die zuletzt festgestellte Mitwirkungspflicht verletzt. Dabei ging es um einen Arbeitnehmer, der langfristig erkrankt war. In dem anderen Fall geht es um ein ruhendes Arbeitsverhältnis aufgrund einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.

 

Wie schon vor der oben genannten grundlegenden Entscheidung zur Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers sieht das BAG auch hier die Antwort in der Auslegung europäischen Rechts und hat daher diese beiden Fragen zur Entscheidung dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Sobald eine Entscheidung ergangen ist, werden wir an dieser Stelle darüber informieren.

 

Praktisch stellen diese beiden Konstellationen eine doch stark abweichende Situation von der Ursprungsentscheidung dar. Bei der Ursprungsentscheidung muss zu einem von der Rechtsprechung nicht näher bestimmten Zeitpunkt (regelmäßig in der zweiten Jahreshälfte bzw. im letzten Quartal) der Arbeitnehmer darauf hingewiesen werden, dass er eine bestimmte Anzahl von Urlaubstagen noch nicht in Anspruch genommen hat und diese bei fehlendem Antrag mit dem Jahresende oder einem Übertragungszeitraum erlöschen. Bei den jetzt zur Entscheidung stehenden Fällen ist jedoch der Arbeitgeber quasi von der Abwesenheit des Arbeitnehmers überrascht worden und hat überhaupt gar keine Veranlassung gehabt, den Arbeitnehmer auf den Verfall seiner Urlaubsansprüche hinzuweisen, da der Arbeitnehmer an der Inanspruchnahme des Urlaubs gehindert war. Wenn der EuGH dennoch eine Mitwirkungspflicht bejahen würde, würde dies also zu der praktischen Konsequenz führen, dass man bereits Anfang des Jahres auf mögliche Verfallstatbestände im Urlaub hinweisen muss, um seine Mitwirkungspflicht als Arbeitgeber einzuhalten.

gez. Halfpap

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